YourStyle Herbst 2017 - page 21

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ntonia, Du nähst seit Du Zwölf bist
und hast Mode- undTextilmanage-
ment an der JAK Akademie in Hamburg
studiert. Wie kamst Du als Mode- und
Textilmanagerin dazu, Dein eigenes Online
Mode-Magazin MOCHNI.COM zu starten?
Das war ein langer Weg, der sieben Jahre
gedauert hat, bis er mich dahin geführt hat,
wo ich heute bin. Ich habe mich direkt nach
dem Studium mit 23 als Mode-Stylistin und
Designerin selbständig gemacht und bin von
Hamburg nach Berlin gezogen. Dort wurde
ich als Mode-Designerin staatlich unterstützt.
Dennoch war es schwierig, ohne Investor
schnell zu wachsen. Daher verstehe ich die
Situation der vielen kleinen Fair Fashion-
Labels zu gut und bin beeindruckt von deren
Durchhaltevermögen. Nach zwei Jahren Berlin
beschloss ich, zurück in meine Heimat Ham-
burg zu ziehen, um einen festen Job anzuneh-
men. Während ich sechs Jahre Berufserfah-
rung in verschiedenen Modeunternehmen und
Onlineshops vom kleinen Start-Up bis
hin zum riesigen Modekonzern gesammelt
habe, merkte ich, dass ich mich in der On-
line-Branche weiterentwickeln möchte und
etwas Eigenes starten will, um Menschen zu
inspirieren und kleine Modelabels zu unter-
stützen. Ich habe dann vor eineinhalb Jahren
parallel zu einem Teilzeit-Job in einer Blogger
Relations-Agentur ein Studium zur Kultur- und
Medienmanagerin begonnen, um an meinem
Online-Magazin MOCHNI.COM zu arbeiten.
Für das Studium habe ich keine Zeit mehr,
denn MOCHNI.COM ist mittlerweile mein Voll-
zeitjob. Die größte Motivation ist für mich, mit
MOCHNI.COM Menschen zu inspirieren, faire
Mode zu kaufen, die unter ethisch korrekten
Bedingungen und umweltbewusst hergestellt
wurde. Nachhaltige Mode ist kein Trend,
sondern die Zukunft.
Was bewegt Dich dazu, nachhaltige Mode
zu unterstützen?
Als ich in meinen Nebenjob bei einem italie-
nischen Luxus-Modehaus als Sales Assistant
gejobbt habe, verkaufte ich ein schlichtes
Viskose T-Shirt mit einer Schleife aus Spitze
zu einem Preis von 600 Euro. Im Shop habe
mich ausgiebig mit den Materialien und deren
Verarbeitung beschäftigt. Ich habe dann auf
das Etikett des T-Shirts geschaut und war
erschrocken über den Eindruck: „Made in
Bangladesh“. Dieses T-Shirt hat sich bis heute
in meinem Kopf eingeprägt. Es verbindet
zwei der unterschiedlichsten Gesellschaften
miteinander – den „Luxus“-Konsumenten, der
sein Geld unbewusst ausgibt und die ärmsten
Menschen der Welt, die um ihr Überleben
kämpfen. Da stellten sich mir tausend Fragen:
Wird in der eigenen Fabrik genäht? Werden
die Näherinnen fair bezahlt? Müssen sie
Überstunden machen? Ist die Fabrik sicher?
Gibt es einen Arbeitsvertrag? Welchen Wert
hat dieses Shirt wirklich?
Mahatma Gandhi hat einmal gesagt: „There is
no beauty in the finest cloth if it makes hunger
and unhappiness.“ Spätestens seit die Rana
Plaza Fabrik in Bangladesch eingestürzt ist,
was in den Medien sehr präsent war und
ist, sollte doch jeder in unserer Gesellschaft
begreifen, wie gefährlich Fast Fashion für die
Näher sein kann.
Was bedeutet für Dich „nachhaltige
Mode“?
Für mich bedeutet nachhaltige Mode in erster
Linie, dass das Modelabel weiß, wo und unter
welchen Bedingungen die Kleidung produ-
ziert wird. Im besten Fall ist das Modelabel
in einer Fair Trade-Organisation Mitglied, die
die Fabrik-Standards regelmäßig überprüft.
Vor allem aber sollte das Modelabel Mitglied
einer Fair Trade-Organisation sein, sobald es
in einem Entwicklungsland wie Bangladesch
produziert. Ich persönlich bevorzuge generell
eher lokal produzierte Mode, da die Produk-
tion für das Label besser kontrollierbar ist.
Nachhaltige Mode bedeutet für mich auch,
dass die Materialien umweltbewusst und fair
beschafft wurden. Es gibt gute, weltweit an-
erkannte Zertifizierungsprogamme wie GOTS,
die die Stoffe von der Saat bis teilweise hin
zum fertigen Kleidungsstück auf Umweltkrite-
rien und Produktionsstandards prüfen.
Das heißt auf MOCHNI.COM gibst Du
dann Shopping-Tipps zumThema nach-
haltig einkaufen?
Genau. Wir haben doch alle kaum Zeit, zu
recherchieren und Marken zu finden, die fair,
bio, umweltbewusst und auch noch chic
sind. Es ist doch viel einfacher, auf eine Web-
site zu gehen und dort gesammelt Informati-
onen und Shopping-Tipps zu bekommen, die
vor allem inspirieren. So spart man Zeit, man
lernt etwas und es bringt auch noch Spaß,
ethische Marken auf MOCHNI zu entdecken.
Es gibt so viele schöne Modeunternehmen
auf der Welt, die Gutes tun, fair und umwelt-
bewusst sind und die viel mehr Aufmerksam-
keit brauchen. Das möchte ich unterstützen.
Mit welchen Stoffen arbeitest Du am
liebsten?
Ich bevorzuge natürliche Stoffe wie Organic
Peace Silk, Leinen und organische Wolle aber
auch innovative Materialien wie Modal, TEN-
CEL® und PIÑATEX™ finde ich toll. Ansons-
ten kaufe ich Überhang-Stoffe auch gerne
bei lokalen Stoffläden. Für Bekleidung wähle
ich immer sehr weiche, fließende Stoffe, die
sich angenehm auf der Haut anfühlen. Dabei
achte ich auf eine feine Webung/Bindung.
Wichtig ist, dass bei den Materialien kein
Greenwashing* betrieben wird.
Bamboo Viskose wird fälschlicherweise
auch gerne „Bamboo“ genannt und wird als
umweltbewusst deklariert, dabei wird sie mit
hochgiftigen Chemikalien nach dem Visko-
severfahren hergestellt und nur ein Minimum
des Stoffes basiert letztlich aus der nachhalti-
gen Bambus-Cellulose. Die giftigen Chemi-
kalien landen dann im Abwasser, was ganz
sicher nicht umweltbewusst ist. Und auch
die antibakterielle Wirkung geht verloren, was
viele gar nicht wissen. Natürlich ist es mir
auch wichtig, dass die Stoffe non-toxic sind
und somit kein gesundheitliches Risiko für die
Menschen in der Produktion und den Träger
darstellen. Daher achte ich auf Zertifizierun-
gen wie zum Beispiel GOTS und Standard
100 by OEKO-TEX®.
Du nähst immer noch wahnsinnig gerne –
was reizt Dich besonders?
Ich liebe es, dass man sich kreativ komplett
austoben kann und dabei noch das Nützli-
che mit dem Schönen verbinden kann. Man
kann seine Träume und Ideen ganz schnell
in die Realität umsetzen. Ich experimentiere
gerne mit verschiedenen Farben und Stoffen.
Für meine damalige Abschlusskollektion zur
Mode- und Textilmanagerin vor acht Jahren
habe ich mich von den Plains-Indianern
inspirieren lassen. Ich habe drei Kleider aus
Seidenchiffon- und Lederüberresten genäht.
Das Nähen und das Umsetzen meiner Ideen
hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich dann
zu meiner Pflichtkreation noch zwei weitere
Kleider für das Model Toni Garrn maßge-
schneidert habe. Die Kleider wurden dann an
meinen Freundinnen Toni Garrn und Charlott
Cordes von „Vogue“-Fotograf Lado Alexi
fotografiert (siehe Bild anbei). Außerdem ist
Nähen für mich eine Art Meditation, bei der ich
komplett abschalten und entspannen kann.
Wir danken Antonia für dieses sehr auf-
schlussreiche Interview. Gerade haben
wir erfahren, dass MOCHNI.COM, als
einzige ethische Plattform Deutschlands,
Media Partner der Eco Fashion Week
Australia sein wird.
Gratulation.
*Anmerkung der Redaktion:
Greenwashing: kritische Bezeichnung für PR-
Methoden, die darauf zielen, einem Unternehmen in der
Öffentlichkeit ein umweltfreundliches und verantwor-
tungsbewusstes Image zu verleihen, ohne dass es da-
für eine hinreichende Grundlage gibt. Der Begriff spielt
auf Grün als Symbol für Natur und Umweltschutz.
A
Antonias Rüschenkissen
aus Biobaumwolle, der blaue Stoff wurde
mit dem Kräuselfuß aufgenäht.
PFAFF Kräuselfuß
Artikel-Nr.
820668096
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