YourStyle Frühling 2023

22 | YOUR STYLE by PFAFF YOUR STYLE by PFAFF | 23 N ähen, sticken, basteln, malen, backen, … gibt es etwas, was du nicht kannst? Es gibt natürlich ganz viel, was ich nicht kann oder was ich bis jetzt noch nicht pro- biert habe. Im Handarbeitsbereich sind das zum Beispiel Häkeln und Stricken, aber da werde ich mich noch rantasten. Was mich außerdem reizt, sind alle Themen rund ums Handwerken. Neben Fashion ist das Thema Interior Design meine große Leidenschaft, in diesem Studiengang habe ich auch gera- de meinen Bachelor gemacht. Bei meinem nächsten Wunsch-Projekt, dem Umbau eines Bullis, werden meine Handwerker- Skills sicher an ihre Grenzen stoßen – aber ich merke immer wieder, dass es nichts gibt, was sich nicht lernen lässt. Über 870.000 (TT, IG und YT) Follower sind verrückt nach deinen Ideen. Was ist das Geheimnis? Wenn ich mir das Feedback meiner Fol- lower anschaue, ist es wohl die Mischung aus Kreativität, Überraschung, Humor und Authentizität, die ihnen gefällt. Ich glaube, mit meiner Herangehensweise an DIY-Projekte ma- che ich Mut, einfach mal etwas auszuprobieren, weil unterm Strich ja keine großen Dramen passieren können, auch wenn das Ergebnis nicht perfekt wird. Und: Ich nehme mich selbst auch nicht zu ernst, denn natürlich wird nichts von dem, was ich tue, die Welt retten – aber mit Kreativität wird sie etwas bunter. Warum nähst du? Weil es mir unfassbar viel Spaß macht! Ich liebe es, aus alt neu zu machen oder mit selbstentworfe- nen Klamotten meine Individua- lität auszudrücken. Auch wenn ich das eine oder andere Mal fluche, wenn ich an der Maschi- ne sitze, entschleunigt mich das Nähen immer sehr. Das hat für mich als ziemlich aktiver Mensch etwas fast Meditatives. Es ist also eher der gesamte Prozess, der mir Spaß macht – Ideenentwicklung, Stoffe oder Second Hand-Tei- le kaufen, Nähen – und nicht immer nur das Ergebnis. Dazu kommt, dass ich oft Probleme habe, im Handel Klamotten zu finden, die zu meiner Figur pas- sen. Mit der Nähmaschine mache ich sie mir dann passend. Wenn du Modedesignerin wärst, wie würde deine Traum- kollektion aussehen? Dramatisch, wild, mutig, laut, alltagstauglich! Ich wildere bei meinen Entwürfen gerne in Trends der vergangenen Jahr- zehnte herum und lasse mich inspirieren. Da ich keine Schwel- lenangst habe, würde meine Kol- lektion vermutlich respektlos alle Einflüsse miteinander verbinden und heraus- kommen würde ein wilder Mix. Wichtig wäre mir die Qualität der Materialien und der Verarbeitung – für eine möglichst lange Haltbarkeitsdauer der Klamotten. An welche Kleiderschränke gehst du am liebsten? Eigentlich an alle! Ich finde immer etwas, was mich inspiriert. Einer meiner Onkel ist zum Beispiel fast 2 Meter lang, somit fast einen halben Meter größer und ungefähr doppelt so schwer wie ich. Ich habe mir aus seinem So ungefähr starten Miekes Videos auf TikTok. In rasender Geschwindigkeit wird das gute Stück auseinandergenommen und auf wundersame Weise mit der Nähmaschine wieder zu einem Edelkostüm zusammengenäht. Zeit zum Luft holen bleibt keine, weil Mieke ohne Punkt und Komma erklärt, wie einfach das geht und wir haben immer noch den Mund offen und sind perplex, wie aus dem Omakleid ein cooler Designer-Look entstanden ist. Kaum zu glauben, dass Mieke während der Pandemie erst wieder das Nähen für sich entdeckt hat, innerhalb von 2 Jahren insgesamt 870.000 Follower für ihre Ideen begeistern konnte und ganz nebenbei ihr erstes Buch »Nähen mit Mieke Fraatz« herausgebracht hat. Irgendwie wären wir alle gerne ein bisschen Mieke, weil sie einfach macht, sich etwas traut und keinen einzigen Gedanken an ein eventuell schlechtes Ergebnis verschwendet. Kleiderschrank einen alten Anzug stibitzt und diesen zu einem Set aus Rock und Jacke umge- näht. Gerade die nicht vorhersehbaren Trans- formationen sind die schönste Challenge. Super gern hätte ich einmal in Marylin Monroes Kleiderschrank geguckt. Ihren Look – von sexy Corsage bis entspannter Mom Jeans – finde ich sehr cool. Wie stehst du zu Modekonsum und Nachhaltigkeit? Grundsätzlich gibt es im Handel viel zu viele Kollektionen mit einer katastrophalen Qualität, die unter fragwürdigen Bedingungen produziert werden. Dadurch ent- stehen Unmengen von Textilmüll, bei dessen Entsorgung wir gern die Augen verschließen. Recyc- lingfähigkeit bei Kleidung müsste meiner Meinung nach vorge- schrieben werden und die Firmen müssten die volle finanzielle Ver- antwortung für Umweltschäden tragen, die bei Produktion und Entsorgung verursacht werden. Aber es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass ich nicht auch mal ein Fast Fashion-Teil finde, das mir gefällt. Mir persönlich macht es aber viel größeren Spaß, gebrauchten Kleidungstücken ein zweites oder drittes Leben ein- zuhauchen. Man darf allerdings auch nicht vergessen, dass die meisten Menschen auf das Shop- pen angewiesen sind und nicht nähen können. Darum muss ein Umbruch im Handel stattfinden! Was möchtest du der Nähcom- munity mit auf den Weg geben? Fangt einfach an! Ich habe mir nach ein wenig Starthilfe durch meinen Opa das Nähen selbst beigebracht – und bin weit weg von Perfektion, aber nahe dran an maximalem Spaß. Tatsächlich ist das Umnähen von Vintage-Teilen ein tolles Training, um die Schwellenangst vor der Nähmaschine zu verlieren. Stöbert am besten in Second Hand-Läden oder Flohmärkten in weniger angesagten Stadtteilen, dort findet man meist coole Klamotten-Schnäppchen. Und dann einfach mal machen. Wenn alle Stricke reißen (oder der Unterfaden) hilft ein Blick in eines meiner zahlreichen YouTube-Tutorials. »Hallo meine Mäusezähnchen, ich hab dieses Oma-Second- handkleid in meinem Schrank gefunden … « TikTok-Star Mieke Fraatz Miekes Abschlussarbeit Grenzenlose Kreativität: eine Pendelleuchte aus Vinyl Mieke mit einem Shirt aus ihrem neuen Buch »Nähen mit Mieke Fraatz«, EMF Verlag. GESTICKT ODER APPLIZIERT? Mieke zeigt in ihrem Buch, wie sie den Regenbogen appliziert und alternativ gestickt hat. Fotos: Mieke Fraatz, EMF Verlag

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